Zum Erzählen von Biographien im Geographieunterricht der Oberstufe
Es hat sich bewährt, in den Geographie-Oberstufenepochen jeweils mindestens eine (Kurz-)Biographie von Entdecker:innen, Forscher:innen usw. zu erzählen. Es genügt schon, wenn eine oder vielleicht sogar zwei Biographien in einer Epoche vorgestellt werden.
An einer zu dem Epochenthema passenden Biographie kann deutlich werden, wie bestimmte Haltungen, Initiativen, Fertigkeiten, Schicksalsfügungen in Verbindung mit neuem Denken zu etwas führen können, was es bisher in dieser Weise noch nicht gab. Dabei sollen zwar auf der einen Seite auch Fakten vermittelt werden, aber wesentlicher ist es, etwas Typisches, Charakteristisches herauszuarbeiten, was sich in einem erstaunlichen Geschehnis, einer Entdeckung oder in einer Anekdote wie durch ein Okular gesehen verdeutlicht bzw. versinnbildlicht. Überhaupt ist es selbst für Oberstufenschüler:innen von Gewinn, wenn nicht nur das klare Denken über die Darstellung von Sachverhalten angesprochen wird, sondern sich auch Fantasie und Gefühle betätigen. Deshalb ist es von Vorteil, auch bildhaftes Erzählen zu pflegen. Die dabei entstehenden Gefühle verbinden sich mit den gewonnenen Erkenntnissen und so wird das Erzählte deutlich einprägsamer.
Sicherlich könnte man solch ein Vorhaben auch als ein Referat vergeben. Pädagogisch wertvoller ist es aber, wenn die Lehrkraft diese Aufgabe unternimmt. Am besten ist dabei das möglichst freie Erzählen, für welches hier eine Lanze gebrochen werden soll:
In der Erziehungskunst September 2024, S. 12-14 erschien ein Interview von Anne Brockmann mit Margareta Leber, Klaus Pasedag und Klaus Weißinger («Vorlesen ist ein Monolog, Erzählen aber ein Dialog»). Die drei plädieren darin für das freie Erzählen bei Klassenlehrern, aber eben auch bei Oberstufenlehrern:
Bei den Jugendlichen sei dann das Urteilsvermögen so weit ausgebildet, dass die Erzählungen zum Beispiel die Naturgesetze berücksichtigen müssten. Biografien seien dafür besonders geeignet. Denn die Schüler:innen suchten nach Identifikationsfiguren, nach Vorbildern für das Ringen um den eigenen Weg und den Umgang mit Krisen, erlebt Weißinger. (…) Ob eine Geschichte erzählt oder gelesen wird, macht für die drei [Interviewten] einen bedeutenden Unterschied. «Wenn ich erzähle, habe ich die Geschichte in mir. Ich bin mit der Geschichte verbunden und verbinde mich über die Geschichte auch mit den Kindern. Gehe auf sie und ihre Reaktionen ein, passe meine Erzählung daran an. Erzählen heißt immer auch, etwas von sich selbst preiszugeben», fasst es Leber zusammen. Weißinger wird noch deutlicher und sagt: «Vorlesen kann ich auch, ohne wirklich dabei zu sein. Vorlesen ist deshalb ein Monolog, Erzählen aber ein Dialog.»
Das freie Erzählen sollte man als Ideal betrachten. In der Oberstufe ist es kein Problem, wenn man zur Unterstützung Notizen zur Hand nimmt mit Jahreszahlen, Zitaten usw. Sowieso ist der Duktus ein anderer. Die Oberstufenschüler müssen nicht mehr vollständig in die Erzählung eintauchen, sondern sie sollen sich parallel Notizen machen, die sie dann direkt nach der Erzählung oder als Hausaufgabe zu einer Zusammenfassung ausarbeiten. Das Training des Mitschreibens und eigenständigen Zusammenfassens ist allgemein eine wichtige Übung in der Oberstufe, insbesondere auch in Zeiten der KI.
Klaus Weißinger